Geschichten aus Untermais


Hoch über Meran erblickt man die vielen majestätischen Bergspitzen Südtirols, die sich vom König Ortler über das hintere Passeiertal und die Dolomiten erstrecken. Der Rosengarten wird von der aufgehenden Sonne in sanfte Rosatöne getunkt. Zu so früher Stund kann man an dieser Bergkette die alten Sagen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden, nahezu miterleben.

Die Natur besteht aus all den Erfahrungen, die sie über die Jahre sammelt, und so tun es auch wir. Diese Momente in den Bergen, Momente der Langsamkeit, helfen uns unsere Umwelt bewusster zu erleben. Fern ab vom Alltag und dem Trubel im Tal, scheint hier oben die Zeit still zu stehen. Geküsst von einer leichten Morgenbrise, umarmt von den Bergketten um mir. Tiefe Atemzüge. Stille. Ich beobachte wie die ersten Vögel mit der aufgehenden Sonne ihre Runden kreisen. Jeder hat seinen ganz eigenen Rhythmus und doch harmoniert alles so wundervoll miteinander.

Sobald in der Höhe der erste Schnee gefallen war, sind wir dann, meistens die Kerngruppe von 4-5 Burschen, oft auch ich allein, mit der letzten Seilbahn am Samstagabend von Obermais nach Hafling gefahren und von dort dann in einem 2-stündigen Marsch über Falzeben und Zuegghütte zur Hütte aufgestiegen, etwas Proviant hatten wir auch mit. Oft regnete es in Meran und wir wussten aber, dass wir oben beim dichten Schneefall unser Abenteuer erleben werden. Bis Falzeben hatten wir meistens eine Spur, dann aber mussten wir erst eine machen. Auf der Hütte angekommen, fanden wir den versteckten Schlüssel und es wurde schnell ein Feuer im Ofen und im Herd gemacht. Es gab keinen Strom und das Wasser war vor der Hütte beim Brunnen. Der Herd und der Ofen rauchten, weil der Kamin noch kalt war und die Augen tränten, Fenster und Tür wurde aufgerissen. Es war alles nicht so schlimm, die Hauptsache: weg von der Arbeit als Lehrling, weg von der Stadt und wir waren frei. Bei Kerzenschein wurde Suppe und Tee gekocht, alkoholische Getränke hatten wir nie oben und es wurde immer viel gesungen und neue Pläne geschmiedet. Nach Mitternacht verkrochen wir uns unter die Decken im oberen Stock. Einer wurde bestimmt, der am Morgen zuerst aufsteht, Feuer macht und Tee kocht.

 

Es gab damals nur einen Tellerschlepplift am Steilhang bei der Zuegghütte, der zum Piffinger Köpfl hinaufführte. Am Morgen traten wir dann mit den Schiern den Schnee am Steilhang von oben herunter fest, es gab ja kein Pistengerät, und dafür durften wir gratis mit dem Lift fahren. Oben habe ich Schifahren gelernt, ohne Schilehrer und mit Holzschiern. Zuerst bin ich nur ein Stück im „Schuss" abgefahren und habe dann mit einem „Kristler" unten abgebremst. Später habe ich dann schon „Stemmbögelen” gemacht. Der „Steilhang” war dann schon eine Herausforderung und wir bewunderten die Meraner vom Sportklub, die alle schon gut schifahren konnten. Am Steilhang wetteten wir dann, wer von ganz oben im Schuss ohne Sturz herunterkommt. Einmal endete das dann mit gebrochenem Schi, aber nie mit einem gebrochenen Bein. Oft sind dann am Sonntag die Mädchen auf die Hütte gekommen und die haben dann mittags eine Suppe für uns gekocht. In dieser Zeit sind dann einige Freundschaften und später auch Ehen entstanden, die bis heute noch bestehen. Am Abend wurde dann saubergemacht, aufgeräumt und ins Hüttenbuch eingetragen, damit man wusste, wer zuletzt auf der Hütte war. Jetzt freuten wir uns schon auf die lange Abfahrt über die „Rennstrecke” mit dem berüchtigten „Kneringer Loch”.

Die Rennstrecke war eine Spur die nicht präpariert war, aber wo die Gatter bei den Zäunen offen waren. Das „Kneringer Loch" war eine Mulde, wo man nach einer Schussfahrt in einen kleinen Gegenhang kam und da gab es häufig Stürze, die nicht immer gut ausgingen. So mancher landete dann mit einem gebrochenen Bein in der Unfallklinik beim Dr. Kneringer in Obermais.

 

Die Abfahrt endete dann bei der „Briefkastlbäuerin” vor dem Sulfner und der Bergstation. Dort stand dann meist schon eine Schlange von Schifahrern, denn das Bahnl konnte nur 6-8 Personen befördern. Die üblichen Meraner gingen dann in die benachbarte Bar, wo sie dann der Schaffner zur letzten Talfahrt holen musste. Wir kehrten dort nie ein, weil wir kein Geld hatten, aber trotzdem hatten wir ein schönes Wochenende auf unserer Schihütte hinter uns. Von der Talstation marschierten wir dann mit geschulterten Schiern zu Fuß nach Hause und freuten uns schon auf das nächste Mal.

 

 

Meraner Stadtanzeiger vom 17. März 2022, Seite 11, Thematik Historisches, von Ulrich Kössler

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Pionier der Wanderwege, Wirt der Kesselberghütte, Gründungsmitglied der Skischule Meran 2000: Otto Gurschler hinterlässt auf Meran 2000 viele bedeutende Spuren. Ein Nachruf.